Das Obermaier ist keine Insel. Vielleicht ist es eher ein Floß, weil es immer in Bewegung bleibt und dabei so hübsch schaukelt. Wer will, kann aufsteigen, sich treiben lassen und sich liebevoll im Alltag umschauen. Ein paar gute Leute sind sowieso immer da. Und manchmal noch ein paar mehr. Das Obermaier versteht sich seit jeher als Refugium für Toleranz, für ein entschiedenes Miteinander, für sinnstiftenden Streit, für wundersame Begegnungen. Es hat sich in seinen drei Jahren als eine Raum gewordene Einladung etabliert. Und das ist umso wichtiger, da so viele merkwürdige, von Menschen gemachte und verstörend dumme Dinge in der Welt passieren. Das war zwar sicherlich schon immer so – aber mittlerweile kriegen wir alles davon mit, täglich, in Überdosis. Dann denkt man: auweia. Das einzige was hilft ist dann, darum zu wissen, dass es auch anders geht. Darum: der Salon.
Zusammen mit der Buchhandlung Dante Connection lädt das Obermaier zum ersten Lese-Salon.
Die Übersetzerin Olga Radetzkaja und der Verleger Sebastian Guggolz stellen in einer Matinee am Sonntag, 12. Juni den russischen Schriftsteller Viktor Schklowski (1893–1984) und sein Werk »Zoo – Briefe nicht über Liebe oder Die dritte Heloise« vor. Schklowski, der im Frühjahr 1923 in Berlin lebte, schrieb über Literatur und Film, und er schrieb Briefe an eine geliebte Frau, die von seiner Verliebtheit nichts hören wollte. »›Zoo‹ ist eine flirrende, alle Genregrenzen sprengende literarische Illusion – und ein berührender Einblick in Herz und Hirn eines unglücklichen Berliner Exilanten«, heißt es im Klappentext dieses wunderbaren, zeitlosen Buches.
»Übersetzen heißt, eine Rolle spielen«, sagt Olga Radetzkaja. Sie übersetzt Werke russischer Autor:innen und findet Worte, wo es uns mitunter, immer öfter, die Sprache verschlägt. Vielleicht war es nie wichtiger als heute, diese Texte zu lesen. Vielleicht aber auch nicht. Weil es noch nie weniger wichtig war, mit offenem Herzen, mit Neugier und Verstand zu kommunizieren.
Mitwirkende Gäste bei diesem Salon sind Olga Radetzkaja (Straelener Übersetzerpreis 2019), der Inhaber des vielfach ausgezeichneten Guggolz Verlags, Sebastian Guggolz, sowie Mariel Jana Supka und Olaf Helbing (Schauspieler:in und Musiker:in).
Sonntag, 12.6.: Ankommen ab 11 Uhr, Beginn 12 Uhr
Eintritt 5 €
Reservierung: salon@obermaier-kreuzberg.de und info@danteconnection.de
Anknüpfend an die Expertisen der beiden Gäste, die sich innerhalb ihrer Arbeiten auch mit verschiedenen Heimatbegriffen beschäftigt haben, pirschten wir uns im Rahmen des Salonabends an die heutigen Fragen zum Thema "Heimat" heran. Wie hat sich der Heimatbegriff durch politische Vereinnahmung bis heute verändert?
Und wie können wir aus dem politischen Begriff wieder ein Gefühl kreieren, dass durchlässig, integrativ und emphatisch ist - her mit der Heimat!
[3. Februar 2020]
Zwei großartige Menschen, Lokalpatriot*innen im besten Sinne und identitätsstiftende Akteure, die (auch, aber nicht nur, das gastronomische) Kreuzberg in den vergangenen Jahrzehnten mit ihren Impulsen immer wieder neu aufgeladen haben. Das sind: Joanna Wollert – Köchin, Autorin und Illustratorin, war in den 80er Jahren Mitbegründerin des legendären „Madonna“ in der Wiener Straße, später eröffnete sie den „Würgeengel“ und den „Gorgonzola Club“ in der Dresdener Straße. Heute gehört die Verführungskünstlerin zum Kulinarier-Team von Goldhahn & Sampson. Und Hans-Ulrich Fluß, Chronist, Geschichtenerzähler und Hedonist, dessen Urgroßvater einst mit seiner Kuchenmanufaktur am Oranienplatz Weltruhm erlangte. Fluß protokolliert, fotografiert und ist das wandelnde Gedächtnis unseres Kiezes, dessen laufende Häutungen aus Abschiedsschmerz immer wieder überraschend Neues entstehen lassen. / Wollert hat gekocht. Und Fluß hat gesprochen. Beide stellten Fragen und stellten sich den Fragen.
[18. November 2019]
© Fotos: Timm Ringewaldt